Die Welt ist komplex und dementsprechend sind es auch die Herausforderungen. Einfache Antworten gibt es nicht. Aber wir dürfen nicht aufhören, miteinander um Lösungen zu ringen. Deshalb laden wir Sie mit diesem Format dazu ein, gemeinsam mit uns Antworten auf Herausforderungen und Fragen unserer Zeit zu finden und zu diskutieren.
#1 Was muss eigentlich passieren, damit Politik und Wirtschaft wieder miteinander reden?
Hier klicken und ANTWORTEN #1 lesen
„Bei unternehmerischen Entscheidungen kommt es längst nicht mehr auf die nationalen Debatten der Politik an“, sagte ein Unternehmenslenker eines namhaften deutschen Maschinenbauunternehmens im Rahmen eines Hintergrundgesprächs, welches wir für einen unserer Klienten konzipiert und realisiert haben. Man habe dem Produktionsstandort Deutschland den Rücken gekehrt, stellte der Unternehmensvertreter fest, und produziere nun direkt in den Ländern der Kunden. Das spare Zeit, Kosten und Verwaltungsaufwand. Der Handel zwischen den Staaten werde reduziert, Probleme durch Lieferkettengesetze und Ausfuhrgenehmigungen seien dadurch gebannt. Aus inszenierten Debatten einzelner Politiker, wie etwa die Einführung einer 4-Tage-Woche, halte man sich kopfschüttelnd heraus. „Natürlich schlägt das Herz des deutschen Mittelstands weiterhin in Deutschland, aber wir fühlen uns von der Politik allein gelassen und unverstanden“, bekräftigte ein weiterer Unternehmer aus der Runde. Denn längst führten die nationalen und europäischen Regulierungen zu einem schleichenden Tod der Industrie.
Eindrücklich brachte es ein Chef-Volkswirt aus der Finanzbranche auf den Punkt: „Unser Gegner steht mit 14 Mann auf dem Feld und erkennt die Abseitsregel nicht an. Wir glorifizieren den Handel mit lupenreinen Demokratien und verlieren gleichzeitig jeden Tag Unternehmen und Know-how an China.“ Dass zahlreiche Mittelständler und Großkonzerne die Produktion in die Länder der Kunden verlegten, sei vor wenigen Jahren noch nicht vorstellbar gewesen, konstatierte ein teilnehmender Vertreter der Politik. „Ich nehme aber auch wahr, dass Unternehmer sich nicht dem politischen Diskurs stellen. Sie müssen sich einbringen und den Mund auch aufmachen“, forderte dieser und lieferte direkt eine mögliche Erklärung seiner Beobachtung. In den Medien würden Unternehmer und Politiker vorgeführt und gegeneinander ausgespielt. Deshalb verbarrikadierten sich Wirtschaft und Politik in ihren jeweils eigenen Positionen und könnten der permanenten Rechtfertigungshaltung nicht entkommen.
Auf einer Wirtschaftskonferenz in Berlin sprach Bundesminister Robert Habeck darüber, dass die Wirtschaftspolitik sich der Klimapolitik unterordnen müsse. Als im Anschluss ein Vorstandsvorsitzender aus der Chemieindustrie in seiner Rede diese Strategie hinterfragte und die Auswirkungen diskutieren wollte, hatte der Bundesminister längst den Saal verlassen. Der dringend notwendige Austausch zwischen Politik und Wirtschaft hat wieder einmal nicht stattgefunden.
“Im Zweifel sind wir aufeinander angewiesen”, stellte wenige Tage später Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mit Blick auf das Verhältnis von Wirtschaft und Politik bei einem Gespräch auf Einladung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fest. Unternehmerische Interessen seien vielleicht nicht immer deckungsgleich mit einem volkswirtschaftlichen Interesse. Darüber müsse man eine ehrliche Diskussion führen und gemeinsam die richtigen Schlüsse ziehen. Denn Diskussionen trügen dazu bei, dass man wieder näher zueinanderkomme, so die Außenministerin.
Brauchen wir überhaupt den Dialog? Wie finden Interessengruppen mit unterschiedlichen Positionen und Zielen wieder zurück an einen Tisch?
Usere Antwort:
Mit Dialogen und Debatten verhält es sich wie mit der Demokratie: Sie sind mühsam, kräftezehrend und manchmal kommt am Ende nicht das heraus, was man im Sinn hatte. Verlockend erscheinen die Algorithmen, die uns mit den Ansichten und Positionen versorgen, die uns in unserer eigenen Haltung bestärken.
Aber wie sehr wir uns auch anstrengen, Alternativen zur demokratischen Debattenkultur zu finden, stellen wir fest: am Ende gibt es keine Form des Miteinanders, die besser geeignet wäre, Interessen auszugleichen, Lösungen zu finden und die Gesellschaft als Ganzes voranzubringen. Daher braucht es Plattformen, die einen ergebnisoffenen Diskurs befördern. Und es braucht Protagonisten, die Argumenten gegenüber offen sind und Kurskorrekturen zulassen. Grundlagen müssen – trotz entgegenstehender Ansichten – verbindende Überzeugungen und ein respektvoller Umgang miteinander sowie ein gemeinsames Verständnis der grundsätzlichen Ziele sein.
Wie bewerten Sie die Sprachlosigkeit, die sich zwischen Wirtschaft und Politik beobachten lässt? Wie können Brücken zwischen den Perspektiven und Positionen gebaut werden? Wie kann der Interessenausgleich gelingen?
#2 Bin ich eigentlich in der richtigen Partei? Erinnerungen zum Tod von Hans-Ulrich Klose
Hier klicken und ANTWORTEN #2 lesen
Anlässlich des Todes von Hans-Ulrich Klose erinnert sich Jörg Ottmann, Gründer und Partner von Reason Why, an ein prägendes Gespräch mit dem früheren Ersten Bürgermeister von Hamburg.
Für die Konferenz „Die deutsche Sicherheitspolitik in der öffentlichen Diskussion“ im Jahr 2014 konnte ich Hans-Ulrich Klose für die Abschlussrede gewinnen. Erwartet hatte ich, dass der frühere Erste Bürgermeister von Hamburg pünktlich zu seiner Rede im Atrium der F.A.Z. in Berlin erscheinen würde und dann eher allgemein über das sicherheitspolitische Potential der Bundesrepublik Deutschland in Europa und der Welt sprechen würde. Bekommen haben die Teilnehmer:innen etwas anderes. Einen hochkonzentrierten, informierten und interessierten Elder Statesman, der bereits um 9.30 Uhr morgens seinen Platz einnahm und sich zu jedem der nun folgenden Programmpunkte Notizen für seine spätere Rede machte.
„Wenn ich hier die Verantwortung einer Abschlussrede übertragen bekomme, muss ich doch auch wissen, worüber hier gesprochen wird! Wenn man sich nicht auf die anderen Sprecher bezieht, macht das doch keinen Sinn.“
Und Hans-Ulrich Klose bezog Stellung. Er ging kritisch auf den Redebeitrag von Niels Annen ein, der gerade zum außenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion ernannt wurde. Und er mahnte die SPD im Allgemeinen sowie Frank-Walter Steinmeier in seiner Rolle als Außenminister im Besonderen.
Im Anschluss an die kluge und besonnene Rede sprach ich Hans-Ulrich Klose darauf an, dass es für ihn natürlich keinen Partei- oder Fraktionszwang gibt, es aber doch sehr aufgefallen ist, dass er einige politische Ansichten der SPD nicht teilt. Ich erlaubte mir die Frage, ob er denn das Gefühl hat, in der richtigen Partei zu sein.Hans-Ulrich Klose atmete tief ein und dachte nach. Dann sagte er, er habe sich in der Tat diese Frage schon sehr häufig gestellt. „Wenn ich meine persönlichen Überzeugen mit dem Parteiprogramm der SPD übereinanderlege, dann ergibt sich eine Übereinstimmung von vielleicht 54%. Jetzt werden Sie sagen, 54% ist aber sehr wenig. Und in der Tat, ist das nicht viel. Ich bin jedoch zutiefst davon überzeugt, dass es sich lohnt, sich politisch zu engagieren und sich für die Themen, die einem wichtig sind, einzusetzen. Und bisher habe ich noch kein Parteiprogramm gelesen, bei dem die Übereinstimmung größer als 54% gewesen wäre. Aus diesen Überlegungen heraus kann ich mit Gewissheit sagen, dass es erstens richtig ist, überhaupt Parteimitglied zu sein und zweitens, dass ich auch in der richtigen Partei bin.“
Über diese Worte denke ich auch heute noch immer wieder nach. Vor allem aber rufe ich Sie mir ins Gedächtnis, wenn Kollegen, Klienten oder auch andere Weggefährten überraschend ihre Positionen wechseln und dann andere Ziele verfolgen als bislang. Oder wenn ein Konsens weit entfernt ist und es nur um die Aushandlung eines Kompromisses gehen kann. Es gibt weder in der Politik noch in der Arbeitswelt den absoluten Gleichklang und ein Team voller Seelenverwandter. Aber mit 54% Übereinstimmung kann man arbeiten und sie sind jedenfalls kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen! Ich bin Uli dankbar für die guten Gespräche und Ratschläge.
Wie viel Übereinstimmung braucht es zwischen den persönlichen Ansichten auf der einen Seite und den Positionen von Parteien, Unternehmen oder auch innerhalb von Teams, auf der anderen Seite? Was sind die Voraussetzungen, um gemeinsam etwas bewegen zu können?